Ich bin niemand, der
übertrieben an materiellen Dingen hängt. Jedenfalls nicht wie meine Freundin
Sandra, die alles, wirklich alles, kistenweise zu Hause stapelt, weil man es ja
noch einmal in naher Zukunft brauchen könnte. Selbst mein Müll, den ich
manchmal einen Tag vor der Tür stehen lasse, bevor ich ihn endgültig entsorge,
ist nicht sicher vor ihr. „Ich habe mich mal an deinem Müllbeutel bedient, das
hättest du ja sowieso weg geworfen.“ „Was in aller Welt hast du aus meinem
Müllbeutel geholt? Mir war nicht bewusst, dass ich so wertvolle Dinge achtlos
weg werfe, für die es sich lohnen würde, in einem dreckigen Müllbeutel zu
kramen.“ „Ich hatte einen schönen Knopf entdeckt.“ Ach so, na dann.
Vor
einer Woche bestellte mich meine Mutter zu Hause ein, weil sie eine neue Küche
erwartete. Vorher musste die Alte natürlich noch abgebaut werden und ich sollte
die Handwerker überwachen. Ich fand mich also pünktlich mit einem Stapel
Modezeitschriften, zwei Schalen Erdbeeren und meinem Laptop bei meinen Eltern
ein und machte es mir am Küchentisch gemütlich. Kurze Zeit später klingelte es
an der Haustür, vor der die beiden rustikalen Küchenbauer Bernd und Friedrich standen.
„Mit Ihnen habe ich jetzt nicht gerechnet!“ „Ich aber mit Ihnen!“ Was für eine
nette Begrüßung, ich bat sie trotzdem herein. „Die Sicherung muss raus!“
Friedrich war kein Freund vieler Worte und sah mich mit großen Augen an.
„Sprechen Sie mit mir?“ „Ja, schon!“ Okay, bin ich Jesus oder eine Frau? „Woher
soll ich wissen, wo der Stromkasten ist?“ Langsam erhob ich mich von meinem
Stuhl, versuchte „männerlogisch“ zu denken und ging in den Keller. „Gut, ich
habe die Sicherung für die Küche raus genommen - aber keine Gewähr!“ schrie ich
nach oben.
Als
Bernd und Friedrich sich an der Küche zu schaffen machten, wurde ich urplötzlich
traurig. Mit einer Erdbeere in der Hand und dem Laptop auf den Beinen sah ich
zu unserer alten Küche hinüber, die gerade völlig emotionslos bearbeitet und
auseinander genommen wurde. Ich merkte zum ersten Mal, wie ich ernsthaft an
einem materiellen Gegenstand zu hängen schien. Aber hing ich wirklich an der
Küche oder an den Emotionen, die ich mit der Küche verbinde? In diesem Moment
war das wirklich schwer zu sagen. Ich habe einen erheblich großen Teil meines
Lebens in diesen vier Wänden verbracht.
Gelacht,
geweint, gekocht, gegessen, gewachsen. Körperlich und emotional.
Hier
saß ich oft mit meiner Mutter nach der Arbeit, habe ihr von meinem Tag erzählt
und sie hat mir dabei eine Stulle geschmiert. Eine leckere Stulle. Während ich
meinen Gedanken nach hänge, macht sich eine kleine Träne auf den Weg und
kullert über meine Wange. „Wir sind fertig, alles abgebaut!“ schreit mich
plötzlich Bernd von der Seite an. Friedrich steht daneben, mit dem Besen in der
Hand. „Ja, danke.“ Ich stehe etwas neben mir, was anscheinend auch den Beiden
nicht verborgen bleibt. „Wissen Sie“, sage ich, „In der Küche bin ich
aufgewachsen, ist mit vielen Erinnerungen und Emotionen verbunden!“ „In der
Küche sind Sie aufgewachsen und in der neuen Küche werden Sie alt.“ Der dicke
Bernd grinst, wobei ich sofort feststelle, dass ihm genau zwei Zähne fehlen.
Ich bezahle die Beiden und sitze noch eine halbe Stunde auf dem kalten Boden in
dem leeren Raum und hänge meinen Gedanken nach. Bernd hatte es zwar sehr direkt
ausgedrückt, aber er hatte Recht. Was er eigentlich meinte war, dass das Leben
weiter geht, man kann die Zeit nicht zurück drehen. Weder die alte Küche, noch
meine Tränen bringen meine glückliche Kindheit wieder zurück. Aber die Erinnerung
daran wird mir niemand mehr nehmen können.